Anlässlich von Polizeieinsätzen gegen kleine Demonstrationen in Niedersachsen erklärt Julia Verlinden, grüne Bundestagsabgeordnete für Nordost-Niedersachsen:
„Viele Menschen bleiben derzeit zu Hause, verlassen das Haus nur in wichtigen Ausnahmefällen. Manche haben sich dennoch entschieden, öffentlich auf Missstände hinzuweisen – z.B. auf die Zustände an EU-Außengrenzen, wo zehntausende Menschen in überfüllten Flüchtlingslagern keine Chance haben, sich effektiv vor dem Corona-Virus zu schützen. Oder die Marktbeschicker in Lüneburg, die eine Lösung dafür fordern, dass nicht nur Baumärkte Pflanzen verkaufen dürfen, sondern auch sie selbst – mit den gebotenen Hygiene-Auflagen. Das sind dringende Anliegen, bei denen es keinen Sinn macht, erst in einem Jahr mit einem Plakat auf dem Marktplatz zu protestieren.
Mir sind von aktuellen Protesten nur Fälle bekannt, wo Demonstrantinnen und Demonstranten großen Wert auf erforderliche Sicherheitsabstände gelegt haben. Ich verstehe daher nicht, warum die Proteste in Niedersachsen von der Polizei verhindert werden. Ein Einschreiten wäre doch nur dort nötig, wo es tatsächlich zu dichten Menschenansammlungen kommt und Infektionsschutzauflagen nicht beachtet werden. Stattdessen wurden z.B. am Ostersamstag allein in Lüchow von siebzig Polizisten über 40 Personalien festgestellt und Transparente beschlagnahmt.
Ich bin froh, dass so viele Menschen die Pandemie-Situation ernst nehmen und Kontakte zu anderen Menschen möglichst reduzieren, die politischen Entscheidungen respektieren und ihren Beitrag dazu leisten. Aber diese breite gesellschaftliche Unterstützung für Einschränkungen des öffentlichen Lebens hat nur Bestand, wenn auch grundlegende Aspekte der Demokratie weiterhin gesichert sind. Und dazu gehört auch, im öffentlichen Raum sichtbar politisch Position beziehen zu können. Die Einen tun das mit einem Banner, das sie aus dem Fenster hängen, die Anderen im Internet. Dies – mit dem gebotenen Abstand – auch auf öffentlichen Plätzen zu ermöglichen, ist Aufgabe der Landesregierung.
Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht. Das gilt auch in Krisenzeiten. Der Landesinnenminister muss das dringend klarstellen und transparent machen, dass und unter welchen Auflagen Kundgebungen und Demonstrationen derzeit durchgeführt werden können.“