Zu den Antworten der Landesregierung auf eine Anfrage der Grünen zu geplanten Autobahn-Neubauten in Niedersachsen erklären Julia Verlinden, Bundestagsabgeordnete und Direktkandidatin für Lüneburg, und Detlev Schulz-Hendel, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion:
„CDU und SPD stehen weiter zum Autobahnwahnsinn, als ob es die Klimakrise und die daraus folgenden Unwetterkatastrophen, wie wir sie zuletzt in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erleben mussten, nicht gäbe. Der auf veralteten Daten basierende und klimafeindliche Bundesverkehrswegeplan ist der Dinosaurier der Verkehrsplanung. Systematisch baut er auf Zahlen aus dem Jahr 2012 auf und lässt keine neuen Erkenntnisse und Entwicklungen einfließen. Damit ist er völlig ungeeignet, die Verkehrspolitik der Zukunft zu entwerfen.
Verkehrsminister Bernd Althusmann und die Landesregierung bekennen sich eindeutig zur Autobahn 39, obwohl sich deren Kosten seit 2015 um 28 Prozent erhöht haben. Das führt bereits zu Kosten von 13,1 Millionen Euro pro Autobahnkilometer. Der alternative Ausbau der Bundestraße 4 wurde nicht geprüft, sondern von vornherein ausgeschlossen, wie die Antworten auf die Grünen-Anfrage zeigen.
Die sogenannte Bedarfsplanüberprüfung sieht nicht vor, einzelne Autobahnprojekte zu überprüfen. Es wird lediglich das Gesamtverkehrsaufkommen für Deutschland aktualisiert. Alleine dieser Prozess dauert fünf Jahre und soll erst im Jahr 2023 abgeschlossen werden. Außerdem sei damit keine Änderung der Dringlichkeitseinstufung der Bundesfernstraßenprojekte verbunden, so die Landesregierung. Auch daran zeigt sich die Trägheit und Absurdität der Verfahren. Die starre Systematik sieht schlicht nicht vor, dass der Verkehrswegeplan fortlaufend an ökologische und ökonomische Entwicklungen und Studien angepasst wird.
Das gern gewählte Argument der A39-Befürworter, der Autobahnbau mache ‚den Logistik- und Wirtschaftsstandort Niedersachsen leistungsfähiger und attraktiver‘, wurde beispielsweise in der Studie von Intraplan/Planco/TUBS[1] widerlegt, die von der Bundesregierung selbst in Auftrag gegebenen wurde. Für das regionale Wirtschaftswachstum ist es danach relativ unwichtig, ob eine Straße gebaut wird oder nicht. Ob die Wirtschaft erstarkt, hängt vor allem davon ab, ob Fach- und Arbeitskräfte ausreichend zur Verfügung stehen.
Wir können es uns nicht länger erlauben, mit überholten Konzepten hilflos der steigenden Erderwärmung zuzusehen. Wir brauchen jetzt eine Mobilitätswende. Alle Autobahnneubauprojekte gehören auf den Prüfstand. Neben der wirtschaftlichen Entwicklung müssen dabei endlich auch Klimaschutz und Kostensteigerungen berücksichtigt werden. Auch wenn Autobahnneubauten vom Bund geplant werden, darf sich Minister Althusmann hier nicht aus der Verantwortung für Niedersachsen stehlen.“
[1] Vgl. Grundsätzliche Überprüfung und Weiterentwicklung der Nutzen-Kosten-Analyse im Bewertungsverfahren der Bundesverkehrswegeplanung, FE-Projektnr.: 960974/2011, Endbericht, 24.03.2015, S. 139ff.